Asana Praxis – Teil 1

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Eine wahre Entwicklung ist durch Umwandlung möglich. Für uns Menschen bedeutet eine wahre Entwicklung die Umwandlung unserer stofflichen Substanz, denn während unseres Lebens in dieser manifestierten Schöpfung (vyakta prakṛti) leben wir in einem physischen Körper. Darüber hinaus sind wir mentale Wesen. Eine wahre Entwicklung schliesst somit die Umwandlung des Geiststoffs (citta) mit ein. 

Der Yoga-Pfad und die verschiedenen Yoga-Arten zeigen uns begehbare und sichere Wege für die Umwandlung der physischen Substanz und genauso für den Geiststoff auf. Der Yoga-Pfad enthüllt uns Erfahrung und Erkenntnis, und dies besonders, wenn wir anerkennen können, dass es uns Menschen um das HERZ gehen sollte. Ja, jedem Menschen sollte es um das HERZ gehen, auch während Yoga-Übungsmethoden wie den körperlichen Stellungen (āsanas).

Im Mittelpunkt der āsana-Praxis steht hauptsächlich der physische Körper. Die körperlichen Zellen sind harmlos und unschuldig wie ein kleines Kind. Ihre Neigung ist, sich nach dem Höchsten auszurichten, dies ist der natürliche Charakter jeder Körperzelle. Die körperlichen Zellen sind zudem sehr gutmütig. Dies führt dazu, dass sie die Anweisungen des Mentals brav beherzigen. Diese körperlichen Zellen leisten dem Mental gegenüber Gehorsam, sie beugen sich. Gleichzeitig erfahren sie dadurch einen Druck, geradeso, als könnten sie nicht mehr frei atmen. Dabei ist doch die erste und wichtige Aufgabe auf dem Yoga-Pfad „frei atmen zu dürfen„, dies eine Aussage von Satprem (engster Schüler von Sri Aurobindo und Mirra Alfassa).

Ausschnitt aus der untenstehenden Grafik aus dem Buch ‚Heilige Wissenschaft‘ von Sri Yukteswar

Yoga ist LEBEN und LEBEN braucht immer einen Bezug. Als mentale Lebewesen fehlt uns natürlich die Harmonie im Geiststoff (citta). Eine unaufgelöste Disharmonie zwischen manas und buddhi, also zwischen dem Denkvermögen und dem Erkenntnisvermögen/der Intelligenz, diese bestehende Disharmonie kann ungünstige Eigenschaften hervorbringen. Eine Dualität zwischen dem psychischen Herzen (citta) und dem EGO (ahaṁkāra) weist ebenfalls auf eine unaufgelöste Disharmonie im Geiststoff (auch citta genannt) hin. Alle Probleme des menschlichen Lebens kommen hauptsächlich aus einer fehlenden Harmonie. Eine Umwandlung von einem mentalen in ein seelisches Wesen ist so noch nicht möglich. Eine bestehende Disharmonie bewirkt ungünstige Eigenschaften, welche die kosmische Energie (prāṇa) verfälscht und schlussendlich körperliche und geistige Schwäche hervorbringt.

Wir Menschen sind mentale Wesen und wir leben in einem stofflichen Körper. Für die Umwandlung von einem mentalen Wesen in ein seelisches Wesen benötigen wir gegensätzliche Kräfte. Es geht somit nicht um das Bekämpfen von ungünstigen Kräften, die vorwiegend der mentalen Ebene entstammen.
< Die Welt wurde von der Unwissenheit und vom Irrtum geschaffen, um erkennen zu können. Willst du die Unwissenheit und den Irrtum abschaffen? Dann wird auch das Wissen zunichte. Die Unwissenheit und den Irrtum kannst du nicht abschaffen, aber du kannst sie in strahlend-glänzendes Übertreffen der Vernunft verwandeln. > (Aphorismus 90, Quelle: Kaskaden des Lichts von Sri Aurobindo)

Vielmehr dürfen wir uns auf das HERZ beziehen und mit öffnendem Vertrauen, mit einem Gefühl von Weite und Liebe unsere āsana-Praxis erfahren. Natürlich geht es auch um eine wohl angewendete und präzise Übungstechnik mit Einbezug einer natürlichen Atmung sowie einer nach innen gewendeten Konzentration. Dem steht jedoch das HERZ nicht im Wege, im Gegenteil, es bringt einen Segen in jede āsana-Praxis. Wir erfahren Verinnerlichung und Verbindung sowie neue körperliche Fähigkeiten wie Sammlungsfähigkeit und Empfindungsfähigkeit. Eine neue körperliche Gesamtverfassung darf sich einstellen mit physischem und nervlichem Gleichmut sowie mit einem friedvollen Geistes- und Gemütszustand. Es sollte uns Menschen auch während der āsana-Praxis um unser HERZ gehen, denn ein Übermass an Handlungs- und Tatenergie kann ausbalanciert werden, eine erste Loslösung von körperlichen Handlungen wird möglich und der erste Schritt auf dem Yoga-Pfad in die Stille wird umgesetzt. Gemäss dem Weisen Aṣṭāvakra, welcher einen reinen Jñāna-Yoga lehrte und auch ein Lehrer Patañjalis war, erfolgt ein Loslösungprozess in 3 Stufen. So hat er über die Disziplin der Stille folgendes gelehrt:
< Zuerst übt man die Loslösung von den körperlichen Handlungen, dann übt man die Loslösung vom Sprechen, dann löst man sich vom Denken. > (Aṣṭāvakra-Saṁhitā)

Kehren wir zurück zur āsana-Praxis. Eine ausgewogene „āsana-Praxis“ beachtet vorbeugende und korrigierende Massnahmen für das Skelett- sowie für das Muskelsystem. Eine gesunde Wirbelsäule bedeutet für jeden Menschen ein grosses Glück. Eine gute āsana-Praxis wirkt Fehlkrümmungen der Wirbelsäule vorsorglich entgegen und kann die wichtigsten Massnahmen integrieren, um bestehende Wirbelsäulen-Fehlkrümmungen unterstütztend zu korrigieren. Für den Erhalt der Körpersymmetrie ist dies von Bedeutung. Zusätzlich zur autochthonen Muskulatur (Eigenmuskulatur der Wirbelsäule) wirken viele weitere Muskeln wie u.a. die Bauch- und Hüftbeugemuskeln an der Körpervorderseite, äussere und tief liegende Hüftmuskeln auf der Körperrückseite sowie vordere und hintere Oberschenkelmuskeln auf die untere Lendenwirbelsäule und beispielsweise sekundäre Muskeln zwischen den Schulterblätter und im oberen Teil des Rückens, viele weitere Schultermuskeln (auch Rotatorenmanschette) sowie Hals- und Brustmuskeln auf die Brustwirbelsäule ein.

Daher werden in den nächsten Blog’s „āsana-Praxis“ mit Freude immer ein paar Hinweise aus dem Modul Zusatzlehrgang folgen bezüglich: Hüftzentrierung, Rumpfaufrichtung, Massnahmen gegen ein Hohlkreuz (Hyperlordose) sowie für einen kräftigen und entspannten unteren Rücken, Massnahmen gegen einen Rundrücken (Hyperkyphose) sowie für einen beweglichen Schultergürtel mit kräftigem sowie auch entspannten Nacken und genauso einige Ausführungen über Wirbelsäulenasymmetrien (skoliotische Fehlhaltungen und skoliotische Haltungsschwächen ohne Wirbelverdrehung).

Es geht bei einer wohl angewendeten āsana-Praxis um Aufrichtung, es geht um die Gesunderhaltung der Wirbelsäule. Genauso darf die āsana-Praxis eine gute Sitzhaltung fördern, damit weitere Yoga-Übungsmethoden wie u.a. einfache Atemübungen oder körperliche Gesten (mudrās) müheloser geübt werden können. Somit kommen wir während der āsana-Praxis in Kontakt mit der Bauch-Becken-Höhle. Mit Hilfe der Gleitflüssigkeit in der Peritonealhöhle kann die Bauch-Becken-Höhle als hydraulisches System arbeiten und die Wirbelsäule gut entlasten.

Oben wird die Bauch-Becken-Höhle vom Zwerchfell, unten vom Beckenboden verschlossen. Es gibt gute Möglichkeiten, während Bauch-Becken-Übungen (āsanas) gleichzeitig oder im Anschluss an eine Bauch-Becken-Übung den Hauptatemmuskel (Zwerchfell) und ebenfalls den grössten Beckenbodenmuskel, den Anusheber (Levator Ani) zu trainieren, um so das hydraulische System in der Bauch-Becken-Höhle zu aktivieren. Es ist wertvoll, regelmässig Bauch-Becken-Übungen während der āsana-Praxis einzubauen. Sie wirken sehr positiv auf das Nabelzentrum (manipūra-cakra) ein, sie fördern gleichermassen Ruhe und Kraft für den stofflichen Körper und das Mental. Sie entwickeln die Bauch-Zwerchfell- sowie die Brust-Zwerchfell-Atmung und sie kräftigen das vegetative Nervensystem im Bauchbereich (enterisches Nervensystem). Bauch-Becken-Übungen vermehren die Energie im stofflichen Körper und wirken Erschöpfungszuständen entgegen, ohne dabei körperliche oder mentale Unruhe zu fördern.

Die Brust-Höhle, sie kann als pneumatisches System die Bauch-Becken-Höhle mit ihrem hydraulischen System ergänzen. Ein gutes Zusammenspiel dieser beiden Körperhöhlen mit ihren Systemen ist für die āsana-Praxis sehr hilfreich. Zusammen fördern sie die Harmonisierung des anregenden Energiestroms (prāṇa) und des dämpfenden Energiestroms (apāna). Soweit eine kleine Einstimmung auf āsana-Praxis – Teil 2.

Yoga ist LEBEN und LEBEN braucht immer einen Bezug. Beziehen wir uns auf das HERZ, weil so die Disharmonie im stofflichen Körper sowie im Geiststoff erfolgreicher in HARMONIE umgewandelt werden kann.

Fortsetzung siehe āsana-Praxis – Teil 2