Mahāmṛtyunjaya Mantra, das große den Tod überwindende Mantra, auch Tryambakam Mantra genannt, ist ein Vers aus dem Ṛigveda (Vers 7.59.12). Es wendet sich an Tryambaka „den dreiäugigen Gott“, eine Ansprache für Rudra, der später mit Śiva identifiziert wird. Der Vers wird auch im Yajurveda (Vers 3.60) genannt. Zusammen mit dem Gāyatri Mantra zählt es zu den bekanntesten Mantras des Hinduismus.
Gerade in Zeiten der Coronavirus-Krise nimmt dieses Mantra einen besonderen Stellenwert ein. In Indien wird das Mahāmṛtyunjaya Mantra seit Jahrhunderten zum Abwehren von Krankheiten und Tod rezitiert.
Auszug aus dem Buch: ‚Japa Yoga‘von Swami Sivananda (1887 – 1963):
„Das Mahāmṛtyunjaya Mantra ist ein lebenspendendes Mantra. Heutzutage ist das Leben sehr komplex und Unglücksfälle sind an der Tagesordnung. Dieses Mantra kann Todesfälle durch Schlangenbisse, Blitzschlag und Unfälle aller Art abwehren. Daneben hat es eine große heilende Wirkung. Selbst Krankheiten, die bei Ärzten als unheilbar gelten, können durch dieses Mantra geheilt werden, wenn es mit Ernsthaftigkeit, Vertrauen und Hingebung rezitiert wird. Es ist eine Waffe gegen alle Krankheiten. Mit diesem Mantra kann man den Tod besiegen.“
Das Mahāmṛtyunjaya Mantra in Sanskrit:
Beispiele von Rezitationen zu sehen und hören auf Youtube:
Mantras kann man übrigens auch leise oder innerlich rezitieren.
Deutsche Übersetzung gemäß ‚Japa Yoga‘ von Swami Sivananda
OM – Wir verehren den Dreiäugigen Śiva, der wohlriechend ist und alle Wesen ernährt.
Möge er uns vom Tod befreien und uns dazu reif machen, zur Unsterblichkeit zu gelangen,
genau wie eine reife Gurke von der Pflanze abfällt.
Wort für Wort Übersetzung:
oṁ Brahman, Ausdruck des Absoluten
tryambakaṁ drei Augen, der Dreiäugige, -> Śiva
yajāmahe wir meditieren, wir verehren, wir beten an
sugandhiṁ wohlriechend, gut duftend
puṣṭi Wohlstand
vardhanam jemand der vermehrt, vergrößert
urvārukam Krankheit, Verhaftung und Hindernisse im Leben, indisches Gemüse (Kürbis, Gurke)
iva wie
bandhanān gebunden sein, Stiel (des Kürbis)
mṛtyor vom Tod
mukṣīya frei, befreien
mā nicht
amṛtāt Unsterblichkeit, Todlosigkeit
Ursprung des Mahāmṛtyunjaya Mantra:
Das Mahāmṛtyunjaya Mantra – („das große den Tod besiegende Mantra“) wird aufgrund der unten stehenden Legende Rishi Mārkaṇdeya zugeschrieben. Die Legende erzählt die Geschichte, wie Mārkaṇdeya von Śiva aus den Klauen des Todes, personifiziert durch den Totengott Yama, befreit wurde.
Rishi Mrikandu und seine Frau Marudmati beteten zu Śiva um einen Sohn. Es wurde ihnen zur Wahl gestellt, einen hochspirituellen Sohn zu erhalten, welcher aber nur kurz leben, oder einen weniger intelligenten Sohn zu zeugen, welcher aber lange leben werde. Rishi Mrikandu entschied sich für das erste und er wurde durch die Geburt seines exzellenten Sohnes Mārkaṇdeya gesegnet, welcher nur 16 Jahre alt werden sollte. Mārkaṇdeya wuchs als großer Anhänger von Śiva auf und auch am Tag, an dem sein früher Tod vorgesehen war, führte er seine Andacht zu Śiva mit einem Śiva liṅgaṁ fort. Seine Hingabe zu Śiva war so groß, dass die Boten des Totengottes Yama Mārkaṇdeya nicht mit sich mitnehmen konnten. So musste Yama selbst kommen und als er Mārkaṇdeya seine Schlinge um den Hals werfen wollte, fiel diese versehentlich um den Śiva liṅgaṁ. Dadurch wurde Śiva wütend und tötete Yama im Kampf. Śiva brachte den Gott des Todes mit der Bedingung zum Leben zurück, dass der junge Mārkaṇdeya ewig leben könne. So erhielt Śiva den Namen Kālāntaka (Beender von Tod und Zeit).
Über Rishi Mārkaṇdeya
Mārkaṇdeya ist ein bekannter Rishi in der Hindu Tradition, geboren im Clan von Rishi Bhṛgu. Er wird als großer Anhänger von Śiva und Viṣṇu gefeiert und wird in vielen Geschichten der Purāṇas erwähnt.
Speziell die Mārkaṇdeya Purāṇa enthält ein Gespräch zwischen Mārkaṇdeya und dem Rishi Jaimini (ein Schüler von Mahārishi Vyāsa). Der Devī Māhātmya-Teil von Mārkaṇdeya Purāṇa ist einer der wichtigsten Texte der Śakti-Tradition, welcher auch Durgā Saptaśati oder Caṇdī Pātha genannt wird.
Aber auch einige Kapitel der Bhāgavata-Purāṇa sind seinen Gesprächen und Gebeten gewidmet und er wird auch in der Mahābhārata erwähnt.
Rishi Mārkaṇdeya wird in allen Strömungen des Hinduismus verehrt.
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Lehrgang: Die heiligen Schriften Indiens