Unterschied Kriya-Yoga und Integraler Yoga

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Abbildung Kriya-Lehrer und Sri Aurobindo sowie Mirra Alfassa

Dieser Blog-Beitrag befasst sich mit den Unterschieden von Kriyā-Yoga (Tradition Paramapadma Dhirananda) im Vergleich mit dem Integralen Yoga nach Sri Aurobindo und Mirra Alfassa (die MUTTER).

Durch die jahrelange theoretische und praktische Auseinandersetzung mit beiden Systemen (Kriyā-Yoga: 1991 – 2012, Integraler Yoga: 2013 bis jetzt), sind wir mittlerweile zu folgender Überzeugung gelangt:

Man muss sich für den einen oder anderen Weg entscheiden und diesen konsequent gehen!
Eine Vermischung bringt Unordnung in beide Systeme und behindert die Yoga-Sādhana.

Auf den ersten Blick scheinen beide Yoga-Wege ähnlich zu sein. Kriyā-Yoga meint per Definition: Einheit (Yoga) mit dem göttlichen SELBST (ātmā – hierfür steht die Silbe yā) in jeder Handlung (kri). Auch im Intergralen Yoga wird angestrebt, dass die göttliche Śakti (die göttliche MUTTER) durch den Menschen auf allen Ebenen wirkt. Hier können wir eine Gemeinsamkeit entdecken.

Bei tiefer Betrachtung dieser beiden Yoga-Wege zeigen sich jedoch bedeutsame Unterschiede.
Die Unterschiede betreffen folgende Bereiche, welche in der nachfolgenden Tabelle aufgelistet sind:

  1. Seinsbereiche
  2. Ātmā (SELBST) und seelisches Wesen
  3. Methoden
  4. Ziel
  5. Mensch als höchste Schöpfung (ja / nein)
  6. Arbeit mit den cakren (von unten nach oben / von oben nach unten)
  7. Zuordnung der Seinsbereiche zu den cakren
  8. Farben der cakren
  9. Techniken, Übungsabläufe

Kriyā-Yoga ist eine traditionelle Yogaart, welche einerseits tantrische Wurzeln hat und, wie die meisten traditionellen Yogaarten, dem achtstufigen Weg gemäss Patañjali (Aṣṭāṅga-Yoga) zugeordnet wird.

Sri Aurobindo unterscheidet zwischen den alten, den herkömmlichen Yogamethoden, zu denen auch Kriyā-Yoga gehört, und seinem Integralen Yoga (Pūrṇa-Yoga). Während das System von Patañjali acht Stufen oder Glieder (aṣṭāṅga) umfasst, kann man das System des Integralen Yoga (Pūrṇa-Yoga) von Sri Aurobindo als fünfgliedrigen (pañcāṅga) Pfad bezeichnen, der die physischen, die vitalen, die mentalen, die psychischen (seelischen) und die spirituellen Aspekte des menschlichen Wesens umfasst. Das Ziel des Integralen Yoga ist nicht wie im Kriyā-Yoga, das Bewusstsein in höhere, göttliche Seinsebenen entschwinden zu lassen (Samādhi). Vielmehr geht es im Integralen Yoga darum, alle Lebensbereiche durch eine Herabkunft des Göttlichen in die Materie umzuwandeln (Transformation).

Der Integrale Yoga besteht in dieser Form bereits seit ca. 100 Jahren. Nun sind die Werke von Sri Aurobindo alles andere als leicht verständlich. Dazu kommt, dass der Integrale Yoga kein bequemer, kein leichter Weg ist. Vielleicht hat dies bis heute dazu geführt, dass sich der Integrale Yoga etwas weniger durchgesetzt hat. Der Integrale Yoga kann kein Yoga der Massen werden. Dieser Weg ist aufgrund der aktuellen Entwicklung vieler Yogaübenden (noch) nicht für alle wirklich begehbar.

Vergleich beider Yoga-Systeme

Die nachfolgenden, stichwortartigen Vergleiche erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wer sich für Details aus der Sicht des Integralen Yoga interessiert, kann dies in folgenden Blog-Beiträgen nachlesen:
https://www.integrale-lebensschule.ch/blog/

Bereiche

Kriyā-Yoga

Integraler Yoga

1. Seinsbereiche

Körper, Geist (manas), Intelligenz (buddhi), Ego (ahaṁkāra) und individuelle göttliche Seele (ātmā) sowie allumfassende göttliche Seele (paramātmā).

Sehr differenzierte Aufteilung in:
das Unbewusste, Unterbewusstsein, Physis, Vital, Mental, Überbewusstsein mit den höheren mentalen Ebenen (-> niedere Hemisphäre);
Supramental, sat cit ānanda (-> höhere Hemisphäre) sowie das zentrales Wesen, siehe unten.

2. Ātmā (SELBST)

Individuelle göttliche Seele (ātmā).
Residiert im 6. cakra – ājñā-cakra oder verlängertes Mark (ātmāsthāna).

Zentrales Wesen, aufgeteilt in einen evolutionären und nicht evolutionären Teil:
1. Seelisches oder psychisches Wesen, residiert als unsterbliche Seele im Körper (Herzzentrum), welche der Evolution unterworfen ist.
2. Unsterbliches SELBST (ātmā), residiert nicht im Körper, wirkt aber durch das wahre Physische (annamaya puruṣa), das wahre Vital (prāṇamaya puruṣa) und das wahre Mental (manomaya puruṣa) auf Körper, Vital und Mental ein.

3. Methoden

Achtstufiger Weg (Aṣṭāṅga Yoga) nach Rishi Patañjali, der durch die Stufen Yama, Niyama, Āsana, Prāṇāyāma, Pratyāhāra, Dhāraṇā, Dhyāna zur Transzendenz (Samādhi) führt.
Siehe auch 9. Techniken, Übungsabläufe.

Der Integrale Yoga lehnt keine Methoden ab, auch nicht die traditionellen Yoga-Methoden. Individuell und abgestimmt auf die eigene Entwicklung, können diese traditionellen Methoden auf dem Pfad des Integralen Yoga integriert werden. Entscheidend für den Integralen Yoga ist, dass allein das Göttliche die folgende dreifache Umwandlung (Transformation) bewirken kann:
1. Seelische Transformation (Hervortreten des seelischen Wesens)
2. Spirituelle Transformation (Aufstieg und Herabkunft des Göttlichen)
3. Supramentale Transformation (Vergöttlichung oder Supramentalisierung von Physis, Vital und Mental)

4. Ziel

Aufstieg in höhere Bewusstseinsebenen
-> Nirvikalpa Samādhi

Aufstieg zu höheren Bewusstseinsebenen und Herabkunft des Göttlichen durch supramentale Transformation (Vergöttlichung) der niederen Hemisphäre (Physis, Vital und Mental).

5. Mensch als höchste Schöpfung

Ja

Nein, der Mensch ist ein Übergangswesen.
Neue, supramentalisierte Spezies:
der Übermensch

6. Arbeit mit den cakren

Von unten nach oben.
Bewusste Arbeit in den cakren durch geheime Kriyā-Yoga-Techniken (geeignet mit Hilfe eines wahren erleuchteten Lehrers).

Von oben nach unten.
Keine mentale Einmischung und keine spezifische Arbeit in den cakren.
Eine Öffnung erfolgt zur rechten Zeit von oben durch die Göttliche MUTTER (Śakti).

7. Zuordnung der Seinsbereiche zu den cakren

7. cakra: Gott, paramātmā (Altar Gottes); satyaloka; dhyāna, samādhi.
6. cakra: Sitz von ātmā und citta (zwei Blütenblätter); tapoloka; dhāraṇā.
5. cakra: janaloka; pratyāhāra; ānandamaya kośa, hier residiert ātmā als ānandamaya puruṣa.
4. cakra: maharloka; prāṇāyāma; vijñānamaya kośa, hier residiert ātmā als vijñānamaya puruṣa.
3. cakra: svarloka; āsana; manomaya kośa, hier residiert ātmā als manomaya puruṣa.
2. cakra: bhuvarloka; niyama; prāṇamaya kośa, hier residiert ātmā als prāṇamaya puruṣa.
1. cakra: bhūrloka; yama; annamaya kośa, hier residiert ātmā als annamaya puruṣa.

7. cakra: höheres Mental, erleuchtetes Mental. Öffnung zum intuitiven Mental und zum Übermental (overmind), über dem Kopf liegend; svarloka.
6. cakra: Verstand (buddhi) dynamisches Mental (Wille), Vision; inneres, wahres Mental (manomaya puruṣa); svarloka.
5. cakra: das sich ausdrückende und gestaltende Mental (physisches Mental); das Sinnenmental (manas); svarloka.
4. cakra: emotionales (vitales) Wesen; das seelische oder psychische Wesen (Seele) befindet sich im Hintergrund; bhuvarloka.
3. cakra: grösseres (zentrales) Vital, Wünsche, Leidenschaften; inneres, wahres Vital (prāṇamaya puruṣa); bhuvarloka.
2. cakra: niederes Vital, sinnliches Vitalzentrum – regiert kleine vitale Bewegungen sowie Gier, Lust, kleine Wünsche und Sinneseindrücke; bhuvarloka.
1. cakra: regiert das Physische bis hinab zum Unterbewussten; innere, wahre Physis (annamaya puruṣa).

8. Farben der cakren

7. cakra: grün
6. cakra: hellblau
5. cakra: tiefblau, rauchig
4. cakra: violett, rauchiges schwarz
3. cakra: rot
2. cakra: orange, weiss
1. cakra: gelb, braun.

7. cakra: blau mit goldenem Licht umgeben
6. cakra: weiss
5. cakra: grau
4. cakra: gold-rot
3. cakra: violett
2. cakra: tief-purpurrot
1. cakra: rot.

9. Techniken, Übungsabläufe

Kriyā-Yoga Techniken:
1. Kriyā-Technik (nach Einführung)
2. Kriyā-Technik (Einweihung 2. Kriyā)
3. Kriyā-Technik (Einweihung 3. Kriyā)
4. Kriyā-Technik (Einweihung 4. Kriyā)
-> ab. 4. Kriyā: Lehrberechtigung für Kriyā-Yoga
5. Kriyā-Technik (Einweihung 5. Kriyā)
6. Kriyā-Technik (Einweihung 6. Kriyā).

Keine festgelegten Übungsmethoden.
Für jeden Menschen gilt ein individuelles Sādhana.